MemoTV

Unser Forschungsprojekt „MemoTV: Epigenetic, neural and cognitive memories of traumatic stress and violence“ kreist um gravierende, traumatische Erfahrungen von Gewalt und Stress. Solche Erfahrungen sind nicht nur kognitiv belastende Erinnerungen, sondern schlagen sich tiefergehend in der funktionellen Selbst-Organisation des Menschen nieder und verändern diesen auf dynamische Weise. Gewalterfahrung modifiziert also unsere Persönlichkeit, unser Wesen und macht uns zu anderen Menschen.

Wenn die Wohnung ausgeraubt wird, bleibt das nicht nur als Erinnerung, sondern verändert Verhalten: Man wird vorsichtiger, schließt die Wohnung mehrfach ab, denkt plötzlich viel mehr über Gefahrensituationen nach. Ähnliches gilt für Menschen, die selbst Gewalt ausgeübt haben: Sie können durch den Schrecken friedlicher werden, indem sie sich sagen: Das tue ich nie wieder. Oder Sie können aggressiver werden, weil Sie Lust an der Gewalt verspürt haben.

Gewalt auszuüben ist demnach weitaus mehr als eine Handlung - sie führt zu einer nachhaltigen Veränderung der Persönlichkeit von Täter und Opfer. MemoTV möchte erforschen, inwiefern diese Veränderung des menschlichen Wesens sich auch in der funktionellen Organisation des Gehirns und in der Lesbarkeit des Erbguts des Menschen niederschlagen und so vielleicht sogar über Generationen hinweg erhalten bleiben können. „Diese 'transgenerationale These' ist gewagt, doch erste Studien zeigen, dass traumatische Erfahrungen als epigenetisches Erbe an die nächste Generation weitergegeben werden können. Stress- und Gewalterfahrungen könnten demnach als epigenetische Erinnerung über Generationen hinweg andauern.

Mit dem Wissen, wie sich traumatische Erfahrungen im Organismus niederschlagen, könnten künftig Traumata wirkungsvoller behandelt werden. MemoTV möchte lernen, diese Persönlichkeitsveränderung neu zu justieren, möchte eines Tages aus kriminellen Gewalttätern wieder friedliche Mitglieder der Zivilgesellschaft machen können.

Dazu wird MemoTV Feldforschung in Krisengebieten und Regionen durchführen, wo viel Leid erlebt werden musste und wo auch ein vergleichsweise rascher Generationswechsel erfolgt: Dies schließt Kindersoldaten im Kongo, die Bewohner der Favelas in Rio de Janeiro sowie der Townships in Kapstadt ein, in denen jeweils Eltern, Kinder und Enkelkinder im Fokus stehen werden. Doch auch die epigenetischen Auswirkungen von häuslicher Gewalt in Deutschland sollen tiefer erforscht werden.